Webkunst

Die Herkunft

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Völkerkundlich gesehen bilden sie eine ungerechtfertigte Ausnahme im Verfahren der volkstümlichen Dekorationskunst: in den kretischen Webstoffen haben wir keine vereinzelten Muster sondern ganze komplizierte und absolut harmonische Kompositionen geometrischer Muster und Farben.

Es ist keine Übertreibung anzunehmen, dass dieses Dekor nicht nur byzantinischen Ursprungs ist, sondern dass es sogar in den Werkstätten des kaiserlichen Hofes von erstklassigen Meistern entworfen wurde. Diese Menschen zeichneten künstlerische Sensibilität aus, sie waren aber auch handwerklich sehr erfahrene Kenner der Geometrie.

Das Wahrscheinlichste ist, dass die geometrischen Webstoffe im Jahre 1092 mit den 12 byzantinischen Adligen und deren Familien nach Kreta kamen.

Die Originalmuster wurden von Generation zu Generation weitergegeben, und im Laufe der Zeit gingen die Muster ins Volksgut über. So bildeten sie während der kommenden Jahrhunderte die Tradition und das volkstümliche Erbe der kretischen Weberinnen und das gemeinsame künstlerische Potential Kretas.

Alle Frauen schöpfen aus diesem Potential und obwohl jede glauben könnte, dass sie etwas Neues schafft, beschränkt sich in der Wirklichkeit ihr Erfindungsreichtum auf kleine Variationen der vorgegebenen, traditionellen Themen. Eine völlig neue und originelle Schöpfung in der Tradition der Weberei gibt es nicht, auch nicht generell in der volkstümlichen Kunst. - Es für einen volkstümlichen Menschen nahezu unmöglich, die Beschränkungen zu überschreiten, die ihm die künstlerische Tradition seiner Heimat auferlegt, Beschränkungen in der Technik, im Ausdruck und im Stil.

Daher glauben wir, dass die gewebten Stoffe, die wir auf Kreta vorfanden und die auf den Beginn des 19. Jahrhunderts datiert werden, die byzantinischen Muster der Dynastie der „Komninos“ (Herrscherdynastie in Byzanz) bewahrten. Dies ist eine Ehrfurcht gebietende Tatsache und gleichzeitig eine sehr wichtige Entdeckung von Nachweisen über die byzantinische Kultur des 11. Jahrhunderts.


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